Impfstoffklassen – Ein Überblick

Man kann die vielen unterschiedlichen Impfstoffe in verschiedene Typen einteilen. Diese unterscheiden sich hauptsächlich in der Art in welcher Form das die Immunreaktion auslösende Antigen vorliegt und wie es hergestellt wird.

An dieser Stelle will ich kurz die verschiedenen Impfstofftypen vorstellen. Für Interessierte ist weiterführende Literatur verlilnkt.

Die Einteilung basiert auf einem Artikel von Edward Nirenberg vom Dezember 2019 und wurde in der Ursprungsversion von Nicole Sagorski übersetzt. Den Original-Artikel findet man hier: Vaccine Classes: A Survey.

Inzwischen wurde der Originaltext von mir überarbeitet und mit zusätzlichen Literaturangaben versehen. Das Kapitel über Dendritische Impfstoffe wurde gestrichen, da diese für die Prävention von Infektionskrankheiten unbedeutend sind. Ihre Stärke liegt nach aktuellen Forschungen in der Therapie von verschiedenen Krebsformen.

Protein- und Toxoid-Impfstoffe

Durch diese Impfstoffe wird das Immunsystem angeregt Antikörper gegen ein bestimmtes Toxin oder ein Protein, das vom krankeitsauslösenden Erreger produziert wird, zu produzieren. Dazu wird das betreffende Protein oder Toxin isoliert, unschädlich gemacht und dann zu dem entsprechenden Impfstoff verarbeitet.

Beispiele für Toxoid-Impfstoffe sind Impfstoffe bzw. Impfstoffkombinationen gegen Tetanus und Diphterie

Protein-Impfstoffe funktionieren nach dem gleichen Prinzip: man nimmt einen oder mehrere Bestandteile des Erregers und verwendet diese, nach entsprechender Aufbereitung, um zu impfen.

Beispiele sind die Pertussis (Keuchhusten)-Antigene in TdaP/DTaP und das Oberflächenantigen des Hepatitis-B Virus im Hepatitis-B Impfstoff.

Polysaccharid- und Konjugatimpfstoffe

In erster Linie reagiert das Immunsystem auf die verschiedenen Proteine die man auf der Oberfläche der unterschiedlichen Erreger findet.  Aber auch Polysaccharide (Zucker unterschiedlicher Zusammensetzung z.B. in den Zellwänden von Bakterien), Lipide (verschiedenste Fette) und Nukleinsäuren (DNA, RNA) können eine Immunreaktion auslösen.
Allerdings sind Kleinkinder noch nicht in der Lage auf diese Art Antigene angemessen zu reagieren. Das macht sie besonders anfällig für schwere Infektionen mit Bakterien wie Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) oder Meningokokken (Neisseria meningitides).

Koppelt man diese Polysaccharide allerdings an ein Protein, z.B. das Tetanustoxoid, erkennt auch das Immunsystem von Kleinkindern das entsprechende Polysaccharid und bildet Antikörper dagegen. Die so entstandenen Impfstoffe werden als Konjugat-Impfstoffe bezeichnet.

Beispiele für Konjugat-Impfstoffe sind Neisvac-C, Menjugate (Meningokokken), gegen Haemophilus influenzae (HiB; Bestandteil der Impfstoffe Hexyon, Hexacima u.a.) und Prevenar 13 und Prevnar 20 (Pneumokokken); reine Polysaccharid-Impfstoffe sind z.B. Pneumovax 23 (Pneumokkokken).

Inaktivierte Erreger

Wie der Name schon sagt enthalten diese Impfstoffe inaktivierte oder abgetötete vollständige Erreger. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten wie z.B. UV-Strahlung oder geeignete Chemikalien.

Das Antigen behält bei diesem Prozess alle strukturellen Merkmale, die es benötigt, um eine Immunantwort auszulösen. Ein Beispiel ist der DTwP – Impfstoff (wP steht für whole cell pertussis), der das gesamte, inaktivierte, Keuchhusten - Bakterium (Bordetella pertussis ) enthielt. Dieser Impfstoff war zwar sehr effektiv, hatte aber den Nachteil, dass durch die Reaktionsfreudigkeit des vollständigen, inaktivierten Erregers viele unangenehme Nebenwirkungen verursacht wurden was dazu geführt hat dass er durch einen neuen Keuchhusten-Impfstoff (aP für acellular pertussis) ersetzt wurde der keine kompletten Zellen mehr enthält.

Da die Erreger in diesen Impfstoffen abgetötet wurden, können sie keine Erkrankung auslösen und können, wie auch die anderen Totimpfstoffe, auch immungeschwächten Personen verabreicht werden.

Bei inaktivierten Impfstoffen sind nicht unbedingt Adjuvantien notwendig.
Beispiele für solche Impfstoffen sind der Polioimpfstoff nach Salk (IPV), der Impfstoff gegen Tollwut und der Influenzaimpfstoff. Alle enthalten keine Adjuvantien. Die Impfstoffe gegen Hepatitis A und ein Grippeimpfstoff für ältere Menschen sind dagegen adjuvantiert.

Viruspartikel-Impfstoffe (Virus-like particles,, VLP)

Hierbei handelt es sich um eine spezielle Form der Protein-Impfstoffe. Mit Hilfe sogenannter Expressionssysteme, z.B. Hefezellen werden die Oberflächenproteine der Viren gegen die der Impfstoff wirken soll hergestellt. Die gereinigten Proteine lagern sich dann automatisch zu Strukturen zusammen die der entsprechenden Virushülle, dem Capsid, ähneln. Das Immunsystem erkennt die Proteine an der Oberfläche des Partikels und reagiert darauf als wenn es das echte Virus wäre.

Wie bei anderen Proteinimpfstoffen kann auch hier eine Unterstützung durch Adjuvantien erforderlich sein.

Beispiele für solche Impfstoffe sind der HPV-Impfstoff Gardasil und Impfstoffe gegen Hepatitis B.

Abgeschwächte Lebendimpfstoffe

Diese Impfstoffe enthalten "lebende", aber abgeschwächte Viren, die sich im Körper, anders als die Wildformen, nur sehr schlecht vermehren.
Das erreicht man indem man die Erreger unter Bedingungen kultiviert die sich von denen seiner physiologischen Umgebung unterscheiden. Dazu verwendet man beispielweise Zelltypen, die von diesem Virus normalerweise nicht infiziert werden und Temperaturen, die nicht ideal für sein Wachstum sind. Die Viren vermehren sich über mehrere Zyklen und passen sich währenddessen immer besser an die neuen an. Dabei verlieren sie weitgehend die Fähigkeit menschliche Zellen zu infizieren und sich dort zu vermehren.

Lebendimpfstoffe benötigen keine Adjuvantien.

Beispiele für Lebendimpfstoffe sind Fluenz® Tetra (ein Grippeimpfstoff der in die Nase gesprüht wird), Priorix (MMR; Masern-Mumps-Röteln-Impfung), Rotarix (Rotavirus-Schluckimpfung), Polio Schluckimpfung (in Europa und einigen anderen Ländern nicht mehr in Gebrauch), Stamaril (Gelbfieber) und Varivax (Windpocken).

Virale Vektorimpfstoffe

Vektorimpfstoffe basieren auf einem in der Regel harmlosen Virus in dessen DNA mit Hilfe molekularbiologischer Methoden das Gen für das gewünschte Protein , z.B. einem Oberflächenprotein eines krankmachenden Virus, eingebaut wurde. Dieses Protein wird jetzt von der mit dem Vektor infizierten Zelle hergestellt und dient als Antigen auf das das Immunsystem reagiert.

Diese Methode wird für Impfstoffe gegen Ebola und mehrere Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, dem Anfang 2020 neu aufgetauchten Coronavirus, angewendet.

Für den Ebola-Impfstoff Ervebo wird ein VSV (Vesikuläre Stomatitis Virus) als Vektor verwendet und dazu gebracht ein Protein der Hülle des Ebolavirus zu produzieren. Weitere Ebola-Impfstoffe verwenden Vaccinia- oder Adenoviren als Vektor.
Für die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 wurden verschiedene Adenoviren verwendet.

Wie andere Lebendimpfstoffe, ist auch dieser nicht für immungeschwächte Patienten geeignet.

Die einzigen momentan zugelassenen Impfstoffe dieser Art sind verschiedene Ebola-Impfstoffe, die allerdings in Europa nicht vermarktet werden.
Für die beiden Covid-Impfstoffe Vaxzevria des Herstellers AstraZeneca und Ad26.COV2.S der Firma Johnson & Johnson (Jcovden, COVID-19-Impfstoff Janssen“) erlosch die Zulassung auf Antrag der Hersteller im Jahr 2024.

mRNA-Impfstoffe

Seit dem Wettlauf nach einem wirksamen Impfstoff gegen das Anfang 2020 aufgetauchte Virus SARS-CoV-2 das zu einer Pandemie mit bisher 677 Mio. Infizierten und 6,8 Mio. Toten (Stand 10.03.2023, bestätigte Fälle) weltweit geführt hat sind mRNA-Impfstoffe in aller Munde. Sie gelten als Hoffnungsträger im Kampf gegen diese und potentielle weitere Pandemien. Aber vielen sind sie nicht ganz geheuer und es sind viele falsche Aussagen in Umlauf.

Im Dezember 2020 wurden die allerersten mRNA-Impfstoffe zugelassen. Seitdem wurden sie im Kampf gegen Covid-19 milliardenfach eingesetzt. SIe haben sich als sicher und wirksam erwiesen und können schnell an die schnell mutierenden Virusvarianten angepasst werden.

Seitdem werden auf dieser Basis weitere Impfstoffe, z.B. gegen Borreliose, CMV (Cytomegalie), Grippe usw., entwickelt.

Man produziert die mRNA (messenger-RNA) für die gewünschten Antigene im Labor und spritzt den Impfstoff dann wie gewohnt in den Muskel. Die mRNA wandert in die umliegenden Zellen, die Zellen stellen dann das gewünschte Antigen her und das Immunsystem reagiert auf dieses fremde Protein indem es Antikörper produziert. Die mRNA wird abgebaut und die scheinbar infizierte Zelle vernichtet. Nachdem das entsprechende Protein einige Male synthetisiert wurde wird die mRNA abgebaut und die Bestandteile in der Zelle recycelt.

Eine Schwierigkeit bei der Entwicklung dieser Impfstoffe war die geringe Stabilität des mRNA-Moleküls, aber inzwischen hat man diese Probleme weitgehend lösen können und es gibt viele vielversprechende Impfstoffkandidaten für verschiedene Krankheiten.

Ganz allgemein unterscheidet man zwischen nicht-replizierenden und selbst-amplifizierenden mRNA-Impfstoffen. Nicht-replizierende mRNA-Impfstoffe sind nicht in der Lage sich selbst zu vervielfältigen, sondern können nur in der Zelle in das zugehörige Protein übersetzt werden.
Selbstamplifizierende mRNA-Impfstoffe enthalten außerdem die Bauanleitung für ein paar zusätzliche Proteine die es möglich machen dass sich die RNA vervielfältigt. Man benötigt dadurch geringere Mengen RNA um den gleichen Effekt zu erzielen.
Im Februar 2025 wurde in der EU ein selbst-amplfizierender mRNA-Impfstoff zugelassen (Kostaive)

DNA-Impfstoffe

DNA-Impfstoffe funktionieren ganz ähnlich wie mRNA-Impfstoffe. Anstelle der messenger-RNA, die direkt in das gewünschte Protein übersetzt werden kann, wird die zu dem Protein gehörende DNA verwendet. Sobald sie von der Zelle aufgenommen wurde wird sie in den Zellkern gebracht und in mRNA übersetzt. Diese mRNA wird dann verwendet um das gewünschte Antigen herzustellen.

Da DNA ein stabiles Molekül ist, sind diese Impfstoffe leichter zu lagern als mRNA -Impfstoffe. Allerdings ist es nicht einfach fremde DNA in die Zellen zu bringen und deshalb ist die Entwicklung der DNA-Impfstoffe noch nicht weiter fortgeschritten.

Im Frühjahr 2021 wurde in Indien ein DNA-Impfstoff gegen SARS-CoV-2, ZyCoV-D, zugelassen. Die Verwendung blieb aber auf Indien beschränkt.

Passive Immunisierung

Passive Immunisierung ist keine Impfung im engeren Sinne, sondern die Immunisierung geschieht auf natürlichem Weg noch vor der Geburt oder durch Injektion von erregerspezifischen Antikörpern die aus dem Blutplasma anderer Menschen oder auch Tieren gewonnen werden.

Während der Schwangerschaft geschieht dies durch Übertragung von IgG über die Plazenta und durch die Nabelschnur in den Fötus.
Stillen ist ein weiteres Beispiel der passiven Immunisierung, deren Nutzen aber begrenzt ist. Muttermilch ist eine Quelle von IgA-Antikörpern. IgA helfen bei der Aufrechterhaltung der Barriereintegrität an Schleimhautoberflächen, was verschiedene Magen-Darm-Infektionen verhindern kann, aber bei Infektionen der Atemwege ist der Nutzen fraglich.

Diese Form der Immunisierung bietet nur vorübergehend Schutz; im günstigsten Fall einige Monate. Daher ist eine aktive Impfung, wo immer ein Impfstoff verfügbar ist vorzuziehen, da durch den Impfstoff das Immunsystem angeregt wird nicht nur Antikörper sondern auch sogenannte Gedächtniszellen herzustellen.

In einigen Fällen erhält man, bei Verletzungen und unklarem Impfstatus beispielsweise, Anti-Tetanus Immunglobulin zusammen mit dem Impfstoff. Dies stellt sicher, dass man vor Tetanus geschützt ist, während der Körper an einer Immunantwort arbeitet. Das Immunglobulin sorgt dann für eine vorübergehende Immunität gegen, in diesem Fall, Tetanus.
Ein weiteres Beispiel: Säuglinge, und besonders Frühgeborene, bekommen im ersten Winter nach der Geburt ein Immunglobulin gegen das RS-Virus, das Atemwegsinfektionen verursacht die lebensgefährlich sein können.

Literatur:

Impfstoff

Arten von Impfungen

Arten von Impfungen 2

Impfen: Selbstverteidigung für das Immunsystem

Aktive und passive Immunisierung: Weckruf ans Immunsystem

History of vaccination

Vaccine Development Throughout History

Wie wird ein Impfstoff entwickelt?

Conjugate Vaccine Mechanisms, Design, and Immunological Memory

Virusinaktivierung in der Bioverarbeitung

Virussicherheit von biologischen Arzneimitteln

Nieder-energetische Elektronen: Viren schonender und effizienter inaktivieren

Modulare virusartige Partikel als Impfstoffplattform?

Protein-basierte Impfstoffe und VLP

Vektorimpfstoffe

Wie funktionieren Vektorimpfstoffe?

mRNA-Impfstoffe für Schutzimpfungen

Design und Funktionsweise von mRNA-basierten Impfstoffen zum Schutz vor Infektionskrankheiten

mRNA: Neue Technologie - neue Impfmöglichkeiten

mRNA-Impfungen: Durchbruch einer lang erforschten Technologie

Herstellung von mRNA-Impfstoffen

Erster mRNA-Impfstoff gegen Maul- und Klauenseuche in internationalem Projekt erfolgreich in Rindern getestet

COVID-19: mRNA-Impfstoff zeigt langfristige Effekte auf das Immunsystem

Pardi, N., Hogan, M. J., Porter, F. W. and Weiss­man, D., mRNA vaccines - a new era in vaccinology. Nat Rev Drug Discov 2018. 17: 261-279

Rauch, S., Jasny, E., Schmidt, K. E. and Petsch, B., New vaccine technologies to combat outbreak situations. Front Immunol 2018. 9: 1963.

Iavarone, C., O'Hagan D, T., Yu, D., Delahaye, N. F. and Ulmer, J. B., Mechanism of action of mRNA-based vaccines. Expert Rev Vaccines 2017. 16: 871-881.

Maruggi, G., Zhang, C., Li, J., Ulmer, J. B. and Yu, D., mRNA as a transformative technology for vaccine development to control infectious diseases. Mol Ther 2019. 27: 757-772.

Stitz, L. et al., A thermostable messenger RNA based vaccine against rabies. PLoS Negl Trop Dis 2017. 11: e0006108].

Zhang, C., Maruggi, G., Shan, H. and Li, J., Advances in mRNA vaccines for infectious diseases. Front Immunol 2019. 10: 594.

Neuer WHO-Leitfaden zu modernen DNA-Impfstoffen

DNA Vaccine

DNA Vaccine Delivery and Improved Immunogenicity

Indien: Erster DNA-Impfstoff gegen COVID-19 zugelassen

ZyCoV-D

Safety and Immunogenicity of a DNA SARS-CoV-2 vaccine (ZyCoV-D): Results of an open-label, non-randomized phase I part of phase I/II clinical study by intradermal route in healthy subjects in India

Passive Immunisierung

Antworten auf häufig gestellte Fragen – RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab (Beyfortus von Sanofi) bei Neu­geborenen und Säuglingen

Fragen und Antworten rund um die RSV-Prophylaxe für Neugeborene und Säuglinge

Passive Immunisierung gegen RSV zeigt Wirkung

 ©Susann Schulz, September 2025